heRzlich willkommen
inhalt
In seiner Widmung an Bochum auf dem 1984 verรถffentlichten Album โ4630 Bochumโ, beschreibt Herbert Grรถnemeyer die Stadt als โkeine Schรถnheitโ. Dieses Essay widmet sich der Frage, was die Schรถnheit einer Stadt konstituiert und warum gerade Bochum keine Schรถnheit ist.
โข Widmung Herbert Grรถnemeyers an Bochum und die Frage nach stรคdtischer Schรถnheit
- Die Transformation Bochums: Von der Industriestadt zur modernen Metropole
- Die Rolle der Industrialisierung und des Ruhrbergbaus
- Bevรถlkerungswachstum und infrastrukturelle Entwicklungen
- Entstehung von Arbeitersiedlungen und die Prรคgung des Ruhrgebiets als industrieller Ballungsraum
- Die Grรผnderzeit: Aufschwung und stรคdtebauliche Zeugnisse
- Einfluss des Historismus und Jugendstils auf die Bochumer Architektur
- รbergang zur Nachkriegsmoderne und Verlust historischer Bausubstanz
- Die Zerstรถrung Bochums im Zweiten Weltkrieg und die Folgen
- Der Neuordnungsplan von Clemens Massenberg und seine Auswirkungen
- Diskussion um Denkmalschutz und die Rolle der Moderne in der Stadtgestaltung
- Die Bochumer Innenstadt heute: Dominanz der Nachkriegsarchitektur
- Gestaltungshandbuch โAns Ganze gebunden โ im Einzelnen freiโ und das Ziel einer harmonischen Stadtgestaltung
- Konflikte zwischen modernen Anforderungen und dem Erhalt historischer Identitรคt
- Forschungsergebnisse zur Wahrnehmung von Schรถnheit in Architektur und Stรคdtebau
- Die Rolle von Komplexitรคt, Homogenitรคt und Zustand der Bausubstanz fรผr die รคsthetische Bewertung
- Gegenรผberstellung historischer Bausubstanz und aktueller stรคdtebaulicher Substanz
- Fazit und Zusammenfassung
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Bochum
Du bist keine Schรถnheit.
Zum Zeitpunkt, als Grรถnemeyer seine Hommage verfasste, hatte Bochum bereits beispielhafte Strategien entwickelt, um die tiefen wirtschaftlichen Einbrรผche zu รผberwinden, die durch die Krisen in Kohle- und Stahlindustrie entstanden waren โ Branchen, die jahrzehntelang die Wirtschaftsstruktur des Ruhrgebiets dominierten. Die Zeiten, in denen sich die Rรคder der Fรถrdertรผrme drehten und das Hochofenwerk des Bochumer Vereins (gegrรผndet 1876) seinen Betrieb fรผhrte, waren lรคngst vorbei; es hatte bereits fast zwei Jahrzehnte seinen Betrieb eingestellt. Heute zeugt nur noch ein teilweise erhaltenes Freilichtmuseum von dieser รra, das die Vergangenheit des Ruhrgebiets narrativ aufbereitet und vermittelt, wie die Region ausschlieรlich durch Industrie und Handel zu dem wurde, was sie heute ist. Mit den 1960er Jahren begann eine Zeit der Transformation: Die einst von Schornsteinen, stรคhlernen Konstruktionen und Industriepalรคsten geprรคgte Landschaft, die rauchend und feurig das Bild des Ruhrgebiets bestimmte, wandelte sich drastisch. Zechen und Stahlwerke wurden demontiert, was zu sichtbaren Lรผcken in der stรคdtischen Textur fรผhrte, die wie offene Wunden anmuteten. Diese Transformation markierte das Ende der Montanindustrie โ eine รra, die mit der Industrialisierung ihren Anfang nahm und in der รra der Globalisierung ihr Ende fand. Diese Entwicklungen spielten eine entscheidende Rolle in der Prรคgung der urbanen und soziokulturellen Strukturen, die das Ruhrgebiet heute charakterisieren.
Bochumer Vereinย | ยฉ Stadtarchiv Bochum
alte Werkshalle des Bochumer Vereins heute.
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Historischer Kontext
Mit dem Aufkommen der Industrialisierung und der Entdeckung reicher Kohlevorkommen im Ruhrgebiet setzte ab der ersten Hรคlfte des 19. Jahrhunderts eine dynamische Entwicklung des maschinenunterstรผtzten Ruhrbergbaus ein. Diese Periode kennzeichnete einen signifikanten Anstieg in der Kohlefรถrderung, wobei zwischen 1860 und 1865 die Zahl der Bergleute von 28.657 auf 42.450 und die Fรถrdermenge von 4,3 auf 9,3 Millionen Tonnen anstieg, was eine Verdopplung in nur fรผnf Jahren darstellt. Das Jahr 1956 markierte mit 484.986 Bergleuten und einer Fรถrdermenge von 124,6 Millionen Tonnen den Hรถhepunkt dieser Entwicklung (Wikipedia, Ruhrbergbau).
Die Schwerindustrie, die einen starken Bedarf an Arbeitskrรคften hatte, zog zahlreiche Arbeiter und ihre Familien an, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben ins Ruhrgebiet kamen. Dies fรผhrte zur Transformation von lรคndlichen Gemeinden rund um die Ruhr in blรผhende Industriemetropolen. Ein Meilenstein in der infrastrukturellen Entwicklung war die Errichtung einer Eisenbahnverbindung durch die Bergisch-Mรคrkische Eisenbahngesellschaft im Jahr 1860 zwischen Witten und Bochum, die bis 1862 nach Mรผlheim verlรคngert wurde. Die Ruhr, Kanรคle, Handelswege und insbesondere der Hafen Ruhrort in Duisburg wurden zu lebhaften Verkehrswegen, die das Ruhrgebiet durchquerten. Die industrielle Blรผtezeit, die mit der Grรผndung des Kaiserreichs 1871 einsetzte, fรผhrte zu einem explosionsartigen Bevรถlkerungswachstum. So verzeichnete Bochum einen Anstieg der Einwohnerzahl von etwa 2.200 im Jahr 1800 auf 65.000 im Jahr 1900 und schlieรlich auf 117.000 Einwohner ab 1905. Auf eine Mutter im Ruhrgebiet kamen fast sechs Kinder (Wikipedia, Ruhrgebiet).
Blick Richtung Innenstadt, entlang der Hattinger Straรe. Aufgenommen auf dem Stadttheater um 1925 ย | ยฉ Stadtarchiv Bochum
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Architektonische Entwicklung
Im Zuge dieser Entwicklung entstanden Arbeitersiedlungen, sogenannte Kolonien, die Unterkunft fรผr die zugezogenen Massen boten. Neben den Arbeitern kamen auch Kaufleute, Handwerker und Beamte ins Ruhrgebiet, was zur Entstehung eines funktionierenden รถffentlichen Lebens beitrug. Diese Periode machte das Ruhrgebiet zum grรถรten industriellen Ballungsraum Europas.
Die wirtschaftliche Blรผtezeit, die Bochum im Zuge des Deutsch-Franzรถsischen Krieges und der darauffolgenden Grรผndung des Deutschen Kaiserreichs erlebte, markiert eine signifikante รra der Stadtentwicklung, bekannt als die Grรผnderzeit. In dieser Periode entstanden entlang der heute bekannten Kortumstraรe, der zentralen Geschรคftsader Bochums, prรคchtige Wohn- und Geschรคftshรคuser, die den Reichtum und den Fortschritt der Zeit widerspiegelten. Diese Bauten, geprรคgt vom wilhelminischen Stil, dienten nicht nur als Zeugnisse des Wohlstands, sondern auch als Hommage an den Kaiser (Wikipedia, Grรผnderzeit). Mit dem Aufkommen mehrgeschossiger Wohnbauten, die sowohl den kulturellen als auch den architektonischen Wandel symbolisierten, begann eine neue รra. Diese Bauwerke ersetzten teilweise die mittelalterliche Bebauung und bildeten zusammen mit diesen eine einzigartige stรคdtische Landschaft. Die Entwicklung fรผhrte zur Entstehung von lebendigen stรคdtischen Ensembles, die durch ihre organisch gewachsenen Straรen, Gassen und Plรคtze charakterisiert wurden (Wikipedia, Historismus).
Der Ausbau der stรคdtischen Infrastruktur umfasste neben Wohnraum auch die Errichtung von Gast- und Vergnรผgungsstรคtten, Mรคrkten sowie Bรผros, Arztpraxen und Kanzleien, die den urbanen Raum weiter belebten. Insbesondere das Gebiet um den alten Hauptbahnhof Bochum-Sรผd, das heutige Bermudadreieck, entwickelte sich mit seinen Hotels und Pensionen zu einem belebten Zentrum. Die Fortbewegung im stรคdtischen Raum wurde durch Straรenbahnen und Pferdekarren geprรคgt, wรคhrend der 1869 neu errichtete Stadtpark in der nรถrdlichen Innenstadt als Ersatz fรผr fehlende Promenaden oder Grรผnflรคchen diente und zu einem beliebten Erholungsort avancierte.
Bis 1929 war Bochum zu einer dynamischen Industriemetropole mit mehr als 320.000 Einwohnern herangewachsen. Diese Entwicklung spiegelt knapp ein Jahrhundert intensiven Wachstums wider, getrieben von der Industrie und geformt durch die Bedรผrfnisse der Arbeiter und Bรผrger. Die Innenstadt Bochums steht heute als Zeugnis dieser geschรคftigen Epoche, die auf der Grundlage von Kohle und Stahl erbaut wurde.
Blick Richtung Alter Markt. Gut zu erkennen, die verschiedenen Bauepochen. ย | ยฉ https://de.geneanet.org
Die heutige Innenstadt Bochums ist das Ergebnis der Nachkriegsarchitektur und moderner Bebauung. Der 4. November 1944 brachte verheerende Luftangriffe auf Bochum, die 70% der Innenstadt in Trรผmmer legten. Zwischen 1942 und 1945 wurden insgesamt 531.000 Brandbomben abgeworfen, allein am 4. November fielen 130.000 Brand- und 10.000 Sprengbomben. Das Ziel der 700 britischen Bomber war die komplette Zerstรถrung der Bochumer Innenstadt, was zu mehr als 70.000 obdachlosen Menschen und 1.300 Todesopfern fรผhrte (Monika Wiborni, Bochum im Bombenkrieg). Die Stadt brannte tagelang, und die รberlebenden fanden Zuflucht in Notunterkรผnften oder den Ruinen ihrer ehemaligen Hรคuser. Das Stadtbild verwandelte sich in eine Trรผmmerlandschaft, ein sichtbares Zeichen der Zerstรถrung durch den Zweiten Weltkrieg. Nach der Trรผmmerbeseitigung wurden nicht nur unrettbar beschรคdigte Gebรคude abgerissen, sondern auch solche, die den stรคdtebaulichen Visionen der Nachkriegszeit im Weg standen. Unter der Leitung von Clemens Massenberg, einem ehemaligen Mitglied der Marine-SA, entstand der stรคdtische Neuordnungsplan vom 1. Oktober 1948, der letztlich zum Verlust von 90% der historischen Bausubstanz fรผhrte โ ein hรถherer Prozentsatz als in den meisten anderen deutschen Stรคdten. Der Neuordnungsplan wurde von einem Team bestehend aus Massenberg, Hellrung, Nรผssen, Krings und Vieth entwickelt. Kurt-Hubert Vieth รคuรerte sich in einem Interview aus dem Jahr 1958 zur neuen Stadtgestaltung, betonte die Bedeutung einer schnellen Bebauung und Umsetzbarkeit, sowie Aspekte der Ornamentik, des Denkmalschutzes und der Funktionalitรคt der Innenstadt (Kortum-Gesellschaft Bochum, Wiederaufbau 1947 โ 1949. Ein Gesprรคch).
Kurt-Hubert Vieth:
โDenkmalschutz im heutigen โ fรผr meinen Geschmack รผbertriebenem โ Sinne spielte keine Rolle und konnte in dieser Notsituation keine Rolle spielen. Stehen blieb, was bewohnbar war, ohne Rรผcksicht auf das Aussehen. Spรคter wurde dann nach modernen Gesichtspunkten renoviert, z. B. wurden aus 2 Geschossen 3 Geschosse, natรผrlich mit entsprechenden Konsequenzen fรผr die Fassaden. Abgerissen wurde, was eine Gefรคhrdung darstellte. รberdies waren die Bauten des Historismus und Jugendstils nicht mehr gefragt. Sie standen und stehen fรผr mich heute noch fรผr schlechteste Wohnbedingungen mit ihren meist miserablen Grundrissen und verlogenen Fassaden…Denkmalpflege galt in der Innenstadt Bochums allein der Propstei-, der Paulus- und der Marienkirche…Ornament war unmรถglich, und wenn es heute in den รผberstark gegliederten Bauten der Postmodernen wieder auftaucht, wage ich zu prophezeien, daร dieser nach bautechnischen, wirtschaftlichen und รคsthetischen Gesichtspunkten unzeitgemรครe, proportionslose Stil bald wieder verschwinden wird. Ein Stil, der nicht aus sich entsteht, sondern gesucht aufgepfropft wird, hat keinen Bestand….Denkmalpflege im Sinne eines identischen Wiederaufbaus stand in Bochum sowieso nicht zur Diskussion…Das Auto war als ein gewerbliches Anlieferungsmittel vorgesehen. Darum wurden die Haupt- und Radialstraรen in diesen groรen Breiten geplant. Hinzu kam der Wunsch, mehr Luft und Licht in die Enge der Vorkriegsstadt zu bringen…Eine Stadtplanung ist niemals als irgendwann beendet anzusehen, sie muร beweglich bleiben. Dazu gehรถrt Mut zur รnderung. Unsere damalige Planung war damals richtig, fรผr heute paรt sie so, wie ein Vierzigjรคhriger in seine Strampelhosen paรt.โ
//1700
Vor der industriellen Revolution bestand Bochum grรถรtenteils aus mittelalterlichen Gebรคuden und einigen Kirchen. Die historische Altstadt gruppierte sich um die Probsteikirche und den Marktplatz, nahe dem heutigen Kuhirtendenkmal, erstreckte sich bis zum Kortumhaus und reichte bis zum heutigen Buddenbergplatz. Charakteristisch fรผr das Stadtbild waren kleine, meist zweistรถckige Wohnhรคuser mit hรถlzernen Fensterkreuzen, Schieferfassaden und Fensterlรคden. Diese Bauwerke verkรถrperten eine Mischung aus lokaler Heimatarchitektur und Elementen der Renaissance, des Barock und der Romanik. รberwiegend in Holzbauweise errichtet, nutzten sie ein Gerรผst aus Rahmenkonstruktionen, die anschlieรend mit einer Mischung aus Lehm, Stroh und Zweigen ausgefรผllt wurden. Ein charakteristisches Merkmal dieser historischen Gebรคude ist das Fachwerkhaus, dessen Auรenseiten fรผr Witterungsbestรคndigkeit mit Kalkputz veredelt wurden. Gelegentlich entstanden auch Gebรคude in Massivbauweise, beispielsweise aus Naturstein. Andere Strukturen wurden aus Lehmziegeln errichtet und รคuรerlich glatt verputzt. Die verwendeten Baumaterialien waren durchweg natรผrlich und nicht industriell hergestellt. An manchen Gebรคuden fanden sich Bossenwerk, Fenstersimse und Gurtgesimse, die den Fassaden zusรคtzlichen Schmuck verliehen. Die Mehrzahl der Hรคuser war mit Satteldรคchern ausgestattet, gedeckt mit Dachziegeln aus gebranntem Ton oder Schieferplatten.
Die Straรen waren zunรคchst teilweise unbefestigt, bevor spรคter Pflastersteine sie in befahrbare Wege verwandelten. Da Bochum keine Residenzstadt war und somit kein Adel angesiedelt war, der reprรคsentative Bauten forderte, fehlten der Stadt architektonische Stile wie Gotik, Renaissance oder Barock, die in anderen Stรคdten wie Mรผnchen oder Potsdam durch kรถnigliche, herzogliche oder fรผrstliche Residenzen reprรคsentiert werden. Bis zur Industrialisierung bestand Bochum aus einer Ansammlung von einfachen Wohn- und Geschรคftshรคusern, die das Bild einer bescheidenen Ackerbรผrgerstadt prรคgten, charakterisiert durch Einfachheit und Armut.
//1800
Wรคhrend der Phase der Industrialisierung, die Bochum in eine Groรstadt verwandelte, dominierten insbesondere der Historismus und der Jugendstil die architektonischen Strรถmungen. Diese Einflรผsse sind noch heute in vielen Bereichen auรerhalb der Innenstadt sichtbar. Vor allem der Historismus spielte eine prรคgende Rolle in der damals als Neustadt bezeichneten Erweiterung Bochums, indem massivere Bauwerke die kleineren und einfacheren Wohnhรคuser ersetzten und sich sowohl um als auch in der Altstadt ausbreiteten. Im Laufe der zweiten Hรคlfte des 19. Jahrhunderts entstand bei der wohlhabenderen Bรผrgerschaft der Wunsch, Wohn- und Geschรคftshรคuser zu errichten, die รคuรerlich Kultiviertheit und Reichtum zum Ausdruck brachten. Der Historismus bot hierfรผr die ideale stilistische Grundlage. Die Grรผndung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 verstรคrkte bei den Bรผrgern das euphorische Gefรผhl nationaler Einheit, wodurch der Wunsch entstand, diese neue Zusammengehรถrigkeit in einem einheitlichen, monumentalen und reprรคsentativen Baustil zu manifestieren. So entstanden entlang der Kortumstraรe die ersten wilhelminischen Hรคuserzeilen, die sich bis zur Bongardstraรe erstreckten. Der Historismus charakterisierte sich durch die รbernahme und Neuinterpretation vergangener Stile, wodurch ein Stilpluralismus und eine vielfรคltige Formensprache entstanden.
Besonders die Neorenaissance und der Neobarock erfreuten sich um die Jahrhundertwende groรer Beliebtheit. Die tendenziell streng gegliederten Fassaden wurden durch eine Vielzahl von plastischen Elementen bereichert. Neben Gesimsen traten nun Ornamente, Erker und Giebel hervor, wรคhrend Mittelrisalite den Dachfries durchbrachen. Mit der Einfรผhrung des Jugendstils wich man von dem bisherigen Stilpluralismus ab und strebte nach einer eigenstรคndigen Schaffung. Der Historismus, kritisiert als eine Architektur der Nachahmung, machte Platz fรผr den Jugendstil, der sich stรคrker an natรผrlichen Prinzipien orientierte. Geschwungene Formen und Linien sowie florale Ornamente prรคgten fortan das Erscheinungsbild. Der Jugendstil verstand sich als umfassende Kunstform, die auch die innenarchitektonische Gestaltung sowie die Gestaltung von Gebrauchsgegenstรคnden einschloss, mit dem Ziel, ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen. Die eckige Formensprache des Historismus wurde durch weiche Kurven ersetzt, wobei sowohl der Historismus als auch der Jugendstil durch ihre detailreichen Fassadengestaltungen mit Pilastern, Sรคulen und Gesimsen auffielen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnete sich bereits die Neue Sachlichkeit ab, die einen Kontrast zu den vorhergehenden Stilen bildete.
//1900
In der Bochumer Innenstadt sucht man heute vergeblich nach dem ehemals reichhaltigen Formenkanon. Stattdessen dominiert die Architektur der Nachkriegsmoderne das Stadtbild, geprรคgt durch eine strenge Orthogonalitรคt und eine Bauweise, bei der die Form ausschlieรlich aus der Funktion resultiert. Grundlegende Prinzipien wie โForm follows functionโ von Louis Sullivan, โLess is moreโ von Ludwig Mies van der Rohe und die von Adolf Loos hergestellte Verbindung zwischen โOrnament und Verbrechenโ bilden die Pfeiler der modernen Architektur. Insbesondere in der Nachkriegsmoderne haben Materialknappheit, Wohnungsmangel und Baulรผcken die Architektur signifikant beeinflusst. Das primรคre Ziel dieser Architekturrichtung ist es, schnell und reproduzierbar den notwendigen Wohnraum zu schaffen. Durch den Einsatz neuer, industriell gefertigter Materialien wie Spannbeton, Glas und Stahl verzichtet die Nachkriegsarchitektur auf traditionelle Handwerkskunst, die in vorherigen Architekturepochen ein integraler und stilprรคgender Bestandteil war. Obwohl Dekorationen oder Bauelemente bereits zur Zeit der Industrialisierung teilweise serienmรครig hergestellt wurden, basierte deren Entwicklung stets auf einem kreativen Prozess und fundiertem Fachwissen. Berufe wie der des Steinmetzes oder Bildhauers konnten durch industrielle Fertigungsprozesse nicht ersetzt werden. Die Entscheidung der Nachkriegsarchitektur, traditionelles Kunsthandwerk sowie klassische architektonische Elemente und Dekorationen nicht fortzufรผhren, fรผhrt zu einer Wahrnehmung der Nachkriegsbauten als monoton und โkaltโ.
Im Zuge des von Clemens Massenberg vorgelegten Neuordnungsplans wurden zahlreiche architektonische Leitlinien festgelegt. Die Stadt sollte einen kubischen Charakter mit leichten Pastelltรถnen und einheitlicher Bebauung aufweisen, ohne die Hรถhe von 3-5 Geschossen zu รผberschreiten. Die Fassaden waren vertikal orientiert und als Loch- oder Rasterfassaden gestaltet. Anstelle eines Steildachs entschied man sich fรผr das sogenannte Isoliergeschoss, ein horizontales Band auf der Hauptfassade, das als Gestaltungselement diente. Massenbergs Konzept sah kurvige und gegenkurvige Ensembles vor, wobei Sichtachsen berรผcksichtigt wurden. Er verfolgte die Vision von Bochum als moderner Groรstadt, die demokratischem Bauen verpflichtet ist und ein โGesamtkunstwerkโ erschaffen wollte, das sich als โbeseeltes Wesenโ gegen die Moderne, den Nationalsozialismus und den Historismus richtet. Massenberg legte Wert auf einheitliche Materialien in der Fassadengestaltung. Wurde im Erdgeschoss Werkstein verwendet, so sollte dieser farblich mit dem Rest der Fassade abgestimmt sein. Werbung durfte nur im Erdgeschoss angebracht werden, und Fensterรถffnungen sollten durch Putzflรคchen oder Werkstein hervorgehoben werden. Ein anschauliches Beispiel fรผr Massenbergs Gestaltungsprinzipien ist die Bleichstraรe, die einen Blick auf das Richard-Baltz-Haus bietet( Kortum-Gesellschaft Bochum, Bochum nach 1945. Wiederaufbau โ Wideraufbau).
Neuordnung durch Industrialisierung und Krieg
In den 1970er Jahren setzte sich die Flรคchensanierung in Bochum fort, wobei zahlreiche Altbauten entweder abgerissen oder so umgestaltet wurden, dass sie ihre ursprรผngliche Identitรคt verloren. Ein markantes Beispiel hierfรผr ist der Abriss des Mรถbelhauses โDe Grootโ Ende der 1970er Jahre, um Platz fรผr den Bau der Drehscheibe zu machen. Dieses Gebรคude, ein prรคchtiger Bau im Jugendstil, hatte sowohl den Krieg als auch die frรผhen Phasen der Nachkriegsneugestaltung รผberstanden. Einige รberreste dieses Gebรคudes, darunter Reliefs und Skulpturen, die vom Bochumer Kรผnstler Heinrich Schroeteler bei der Demontage des Hansa-Hauses an der Ecke Kortumstraรe und Bongardstraรe gerettet wurden, fanden spรคter Verwendung in einer Wandgestaltung in der Unterfรผhrung zum Kaufhaus โCity Pointโ, wo sie heute kaum Beachtung finden (artibeau, Stadtbahnhaltestelle Rathaus Nord/Sรผd (1984).)
Innerhalb eines Zeitraums von knapp 200 Jahren musste Bochum einschneidende stรคdtebauliche Verรคnderungen hinnehmen, die das Gesicht der Innenstadt zweimal vollstรคndig neu gestalteten. Herbert Grรถnemeyers Gesรคnge รผber Bochum, insbesondere sein Lied aus dem Jahr 1985, spiegeln natรผrlich seine Zeit wider. Es bleibt jedoch die Frage, ob er die Vorkriegsstadt ebenfalls als eine Schรถnheit betrachtet hรคtte. Um die Wirkung von Schรถnheit auf die Wahrnehmung eines Stadtbildes und ihre Definition zu verstehen, ist es zunรคchst wichtig, die architektonischen und stรคdtebaulichen Stilepochen zu betrachten, die das Bild der Bochumer Innenstadt geprรคgt haben.
Diese historischen Umwรคlzungen und die damit verbundenen Verluste von architektonischem Erbe zeigen die tiefgreifenden Verรคnderungen im Stadtbild Bochums. Der รbergang von der Vorkriegsarchitektur zur Nachkriegsmodernisierung markiert eine bedeutsame Periode in der Stadtentwicklung, die nicht nur das physische Erscheinungsbild der Stadt, sondern auch die kulturelle und soziale Identitรคt Bochums nachhaltig beeinflusst hat.
Blick Richtung Alter Markt. Gut zu erkennen, die verschiedenen Bauepochen. ย | ยฉ https://de.geneanet.org
Die Bochumer Innenstadt wie wir sie kennen ist vorallem ein Produkt der Nachkriegsarchitektur und zeitgenรถssischer Bebauung. Als am 4. November 1944 die verheerenden Angriffe auf Bochum geflogen wurden, lagen 70% der Innenstadt in Schutt und Asche. Um zu verstehen, welche Bausubstanz dabei unwiederbringbar zerstรถrt wurde, muss man die gesamte Spanne bis zum 2.Weltkrieg berรผcksichtigen.
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architektonischer
kontrast
Die Gegenรผberstellung architekturspezifischer Gestaltungselemente kontrastiert die Architektur bis hin zur Moderne und ihre zeitgenรถssischen Weiterentwicklungen. Somit werden Prinzipien erkennbar, die stellvertretend fรผr eine jeweilige Epoche stehen.
Gymnasium am Ostring | Baujahr: 1890-92
Wohnhรคuser in der Franzstraรe | Haus im Vordergrund von 1908
Wohnhaus in der Stรผhmeyerstraรe | Baujahr 1905
Kaufhaus Baltz | Baujahr: 1936-37 | Altbau von 1924-25
Walter Gropius-Berufskolleg | Baujahr: 1954
ehemalige Jacob-Meyer-Realschule | Baujahr: 1953-56
ehemals Kaufhaus Wertheim | 1988-89 Umgestaltung zum Citypoint Bochum
Sparkassen-Galeria | Baujahr: 1997-99
Viktoria Karree | Baujahr: 2018-22
Kaufhaus Alsberg | Baujahr: 1914-15 | Fertigstellung nach dem 1. Weltkrieg 1921
ehemaliges Verwaltungsgebรคude der Stadtwerke Bochum | Baujahr: 1952-55
Bochumer Hauptbahnhof | Baujahr: 1955-57
Modehaus Baltz | Baujahr: 1973
Stadtbadgalerie | Baujahr: 2000-02
vor&
nach dem 2. weltkrieg
Das Gestaltungshandbuch โAns Ganze gebunden โ im Einzelnen freiโ und das integrierte stรคdtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) fรผr Bochum, erarbeitet seit 2018, zielen darauf ab, in Einklang mit der existierenden Bausubstanz und den Vorstellungen Massenbergs, eine qualitรคtsvolle Gestaltung der Stadt zu erreichen. Die Herausforderung der Nachkriegsmoderne bestand darin, auf den Ruinen der alten Stadt schnell, zeitgemรคร und mit Fokus auf die Bedรผrfnisse des Automobilverkehrs neu zu bauen. Dieses Konzept, das auch von anderen Stadtplanern wie Rudolf Hillebrecht verfolgt wurde, fรผhrte zur Entstehung breiter Straรen und Boulevards, was oft zulasten erhaltener historischer Bausubstanz ging. Die moderne, autogerechte Stadt war das Ziel, obwohl dies heute angesichts des Strebens nach einer autofreien Stadtgestaltung als รผberholt gilt. Die gegenwรคrtigen Anforderungen an eine moderne, zukunftsorientierte Stadt werfen Fragen nach Lebensqualitรคt, Attraktivitรคt, Aufenthaltsqualitรคt und Identitรคt auf. Die Umsetzung der Gestaltungssatzung, die auf Massenbergs Konzepten beruht, soll diesen modernen Ansprรผchen gerecht werden, ohne die historische Identitรคt Bochums zu leugnen, wie Oberbรผrgermeister Thomas Eiskirch betont. Betrachtet man diese Aussage von Thomas Eiskirch, wonach das Ziel ist, der Bochumer Innenstadt ein neues, modernes Gesicht zu geben, โohne dabei ihre historische Identitรคt zu verleugnenโ, so offenbart sich ein scheinbarer Widerspruch in der Gestaltungssatzung. Diese folgt nรคmlich den Prinzipien eines Stadtplanungskonzepts, das historische Identitรคtsmerkmale Bochums nicht wesentlich berรผcksichtigt hat. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die fundamentale Frage, ob die definierten Ziele des Gestaltungsvorhabens tatsรคchlich realisierbar sind. Anders ausgedrรผckt: Ist es mรถglich, mit einem auf den Charakteristika der Nachkriegsmoderne basierenden Gestaltungskonzept Lebens- und Aufenthaltsqualitรคt sowie die Wahrung der historischen Identitรคt zu gewรคhrleisten? Diese รberlegung fรผhrt unweigerlich zur Frage nach der Rolle architektonischer Schรถnheit, denn sie ist es, die uns zum Verweilen einlรคdt, uns zum Staunen bringt und eine inspirierende Qualitรคt schafft, die wir sinnlich erfassen und genieรen mรถchten.
Wissenschaftlich fundierte Einsichten zu der Frage, was die รคsthetische Anziehungskraft von Immobilien ausmacht, bietet Nicole Kรผsters Dissertation โSchรถnheit und Wert von Immobilienโ, ergรคnzt durch Arthur E. Stampsโ Arbeit โAesthetics, 2000โ und die Vortrรคge des Architekten Stefan Forsten. Nicole Kรผster leitet eine zentrale Erkenntnis aus den Experimenten von Stamps ab: โDie Schรถnheit eines Gebรคudes ist keine Frage der subjektiven Wahrnehmung, sondern ist im Gebรคude selbst verankertโ (Kรผster & Thiessen, 2014). Diese Aussage basiert auf einem Versuch, bei dem Teilnehmende aufgefordert wurden, verschiedene Stimuli hinsichtlich ihrer Schรถnheit zu bewerten. Die Studie umfasste 1221 unterschiedliche Stimuli, darunter traditionelle sowie avantgardistische Architekturstile. Der Korrelationskoeffizient von 82% รผber alle demografischen Gruppen hinweg zeigt, dass die Schรถnheitswahrnehmung bei den meisten Menschen sehr รคhnlich ist, wobei Architekten und Designer bei der Beurteilung avantgardistischer Architektur eine Ausnahme bilden. Die Studie verdeutlicht, dass รคsthetische Urteile immer im Kontext gesellschaftlicher Prรคgungen betrachtet werden mรผssen. Es wird jedoch deutlich, dass auรergewรถhnlich gestaltete Gebรคude unterschiedlich bewertet werden, wรคhrend traditionell gestaltete Altbauten durchweg als โzeitlos schรถnโ gelten. Dieses Phรคnomen erstreckt sich auf ganze Stadtviertel und Stรคdte, wobei das Gesamtbild eines Viertels aus der Summe seiner Einzelgebรคude resultiert. Als Kriterien fรผr die รคsthetische Bewertung von Quartieren dienen Stil, Grรถรe, Farbe und Zustand der Gebรคudeโโ.
โDie Schรถnheit eines Gebรคudes
liegt nicht im Auge des Betrachters,
sondern im Gebรคude selbst.โ
komplexitรคt&
plastizitรคt
Die Forschung von Arthur E. Stamps liefert aufschlussreiche Erkenntnisse รผber die Faktoren, die bei Betrachtern ein positives Gefรผhl von Schรถnheit oder dessen Gegenteil auslรถsen. Stamps vergleicht in seinen Studien verschiedene Fassadengestaltungen bezรผglich ihrer Form, Struktur, Materialitรคt und Farbgebung. Er stellt fest, dass Gebรคude mit einer hรถheren Komplexitรคt gegenรผber schlichteren als schรถner empfunden werden, wobei insbesondere Details an Fassaden eine signifikante Varianz aufweisen. Daraus folgt, dass die Komplexitรคt eines Gebรคudes ein entscheidendes Kriterium fรผr seine wahrgenommene Schรถnheit darstellt. Trotz Adolf Loosโ Kritik an Ornamenten als โVerbrechenโ, legen wissenschaftliche Untersuchungen nahe, dass Ornamente und Detailreichtum tatsรคchlich eine hohe Anziehungskraft besitzen. Architekt Andreas Forster spricht in diesem Zusammenhang von Profilierung und Komplexitรคt der Fassade, was eine treffendere Bezeichnung darstellt, da das Ornament traditionell sehr spezifische Formen, wie florale Darstellungen, annahm. Die Fassadenprofilierung, einschlieรlich Vorsprรผngen, Gesimsen oder Gliederungen, macht ein Gebรคude visuell ansprechend und verรคndert sich dynamisch mit dem Sonnenlicht im Tagesverlauf. Daniel Berlyne identifiziert in seinen Experimenten, dass ein mittleres Maร an Komplexitรคt allgemein als schรถn betrachtet wird. Er zeigt auf, dass sowohl eine Unterforderung als auch eine รberforderung der sensorischen Reize zu einer negativen Wahrnehmung fรผhren kann, was in einem โU-fรถrmigenโ Zusammenhang zwischen der Menge der Reize und der รคsthetischen Bewertung eines Gebรคudes resultiert. Auรergewรถhnlich gestaltete Gebรคude kรถnnen kognitive Dissonanz erzeugen und Unsicherheit beim Betrachter hervorrufen, was tendenziell zu einer negativen Bewertung der Mensch-Umwelt-Beziehung fรผhrtโโ.
Diese Erkenntnis ist auch auf die Wahrnehmung von ganzen Wohnquartieren anzuwenden, denn sofern sich keine homogene Form erkennen lรคsst, sinkt die gesamtheitliche รคsthetische Wahrnehmung. Ein wichtiges Kriterium ist hier auch die Gleichfรถrmigkeit im Sinne der รhnlichkeit, nicht im Sinne des Gleichen. Somit ist das reine Reproduzieren von Gebรคuden ein unterfordernder Reiz. Um herauszufinden, wie Gebรคude in einem Ensemble wirken, testete Stamps Probanden mit verschiedenen Variationen von Gebรคuden die sich in Hรถhe und Stil entweder unterschieden oder besser einfรผgten. Die Studien belegen, dass Gebรคude die sich in die Gesamtheit des Ensembles einfรผgen als angenehmste wahrgenommen werden. Selbst wenn ein, als schรถner wahrgenommennes Gebรคude in eine weniger schรถne Hรคuserzeile integriert wird, favorisieren Probanten eher die weniger schรถne Homogenitรคt. Das wiederum spricht ebenfalls fรผr die Favorisierung eines einheitlichen Ensembles. Bei der Gebรคudehรถhe sprechen die Zahlen ebenfalls fรผr eine ausgewogene Einheitlichkeit. Darรผber hinaus kommt der bauliche Zustand von Gebรคuden in Ensembles zum Tragen. Ist ein Gebรคude im Ensemble verschmutzt, verwahrlost oder beschรคdigt, dann kann kein Eindruck von Schรถnheit entstehen. Diese fรผhren zudem dazu, dass es gemรคร der Broken Window Theory weitere Beschรคdigungen in der Nachbarschaft anziehen kรถnnte, besonders Vandalismus. Auch der von der Moderne vertretene Grundgedanke der Funktionalitรคt eines Gebรคudes kommt hier zum tragen. Bevorzugt werden nicht die Gebรคude der reinen Zweckrationalitรคt, also des Wohnens, sondern polyfunktionale Gebรคude die ein Bedรผrfnis nach Kreativitรคt und รคsthetischer Erfahrung kennzeichnen.
In einer eigens zur Ermittlung der Wertigkeit von Wohnimmobilien angelegten Studie, findet Kรผster heraus welchen Wertverlust die Platzierung von verschiedenen Bautypen in klassische Hรคuserzeilen provoziert. Probanden bekamen Bilder einer dreigeschรถssigen Wohnzeile von Altbauten zu sehen, in welche nachtrรคglich unterschiedliche Bautypen ( Nachkriegsarchitektur der 60er Jahre, 70er Jahre Beton, 70er Jahre orange, Neubau im klassischen Stil, Neubau im organischen Stil und Neubau im skulpturalen Stil) eingefรผgt wurden und mussten ihre รคsthetischen und รถkonimischen Einschรคtzung hinsichtlich der Ursprungsvariante modifizieren. Danach sank die Schรถnheit des Ensembles aus der Sicht der Probanden um bis zu -48% Prozent (bei 70er Jahre Bau, orange) ab. Aber schon der Neubau im klassischen Stil wirkt sich mit -20% (als geringster Wert) negativ auf die empfundene รsthetik aus.
Dieses Experiment ist wegweisend fรผr die Frage nach allgemein wahrgenommener Schรถnheit von Gebรคuden bzw. Ensembles und kann wichtige Hinweise liefern um die Stadt wieder lebenswerter und schรถner zu machen. Signifikant ist in diesem Experiment vorallem der Wert von 95% รbereinstimmung der รคsthetischen Empfindungen รผber alle demografischen Faktoren der Probanden hinweg. Die Konklusionen dieser Studie sind fundamental fรผr ein neues Verstรคndnis von Stadtentwicklung und die Gestaltung des รถffentlichen Raumes im Sinne einer lebensqualitรคtsstiftenden- sowie einer รถkomischen Aufgabe.
Um die Ergebnisse der Studie zu verdeutlichen :
– Stรถrung eines homogenen Bauensembles durch ein abweichendes Gebรคude wirkt sich negativ auf das Gesamtensemble aus.
– Abweichende Gebรคude wirken weniger stรถrend wenn sie nicht auffรคllig sind
– herausragende Gebรคude im Sinne der Hรถhe wirken sich stark negativ auf das Gesamtensemble aus.
– Zeitgenรถssische Architektur unterliegt des Wandels von Geschmack und lรคuft Gefahr als sehr negativ wahrgenommen zu werden.
– Urteile zur Schรถnheit von Gebรคuden sind รผber alle demografischen Gruppen hinweg fast identisch.
– Schรถnheit ist kein subjektives Empfinden.
Zudem hat der Bildungsstand lediglich einen geringfรผgigen Einfluss auf die Geschwindigkeit, mit der รคsthetische Urteile gefรคllt werden. Menschen unterschiedlicher Einkommensklassen besitzen die gleiche Fรคhigkeit zur รคsthetischen Wahrnehmung und Beurteilung. Auch das Argument, die Vertrautheit mit einem Ort beeinflusse die รคsthetische Bewertung, wird entkrรคftet, da sowohl neu Zugezogene als auch langjรคhrig Ansรคssige zu identischen Einschรคtzungen gelangen.
Wir sollten den รถffentlichen Raum und die Stadt als Wohnzimmer ihrer Bรผrger begreifen und deren รคsthetische Empfindungen verstehen. Die Vorlieben der Bรผrger erzeugen einen direkten Zusammenhang zwischen Lebensqualitรคt, Schรถnheit und Wirtschaftlichkeit. Gebรคude treten in einen Dialog mit dem Betrachter, indem sie unmittelbar Eindrรผcke vermitteln, die dieser verarbeitet und auf denen sein Empfinden fuรt. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, diese Eindrรผcke und die Prinzipien รคsthetischer Wahrnehmung zu begreifen und anzuwenden, besonders wenn es um die Steigerung der Lebensqualitรคt und die Verschรถnerung der Stadt geht. Es ist notwendig, Prinzipien zu etablieren, die stรคdtische Ensembles aufwerten und Rรคume sowie Plรคtze schaffen, die zum Verweilen einladen. Ziel ist es, eine Interaktion mit dem Betrachter bzw. Bรผrger zu etablieren, ihm ein Gefรผhl angenehmer รsthetik zu vermitteln und dieses zu bewahren sowie weiterzuentwickeln.
Die Frage, die sich nun aufdrรคngt, betrifft die Unterschiede zwischen den Akteuren der Bauwelt: Liegt die Trennlinie in der Anwendung von architektonischen Prinzipien, die auf komplexe, anregende Fassaden und Ensembles abzielen, im Gegensatz zum historisierenden Bauen? Historisierendes Bauen stรถรt bei vielen Architekten auf Ablehnung und wird oft als Verfehlung angesehen. Bereits im Studium wird das Zeichnen von Arkadengรคngen untersagt und runde Fensterformen als zu historisch betrachtet. Es herrscht die Auffassung, dass Architektur sich neu erfinden muss, da jede Epoche ihre eigene Architektur hervorbringt. Dennoch ist unรผbersehbar, dass gerade die am meisten geschรคtzten Stadtviertel oft von Altbauten geprรคgt sind. Die damit verbundene Qualitรคt scheint heute kaum noch oder gar nicht mehr erreichbar zu sein. Wenn Forster jedoch die Plastizitรคt als entscheidend fรผr die Komplexitรคt einer Fassade herausstellt, kรถnnen wir durchaus von Methoden sprechen, die einem Gebรคude รคsthetischen Mehrwert verleihen, statt es als historisierend abzutun. Er betont auch die Bedeutung der Materialbestรคndigkeit, die Vertrauen schafft, meist durch den Einsatz natรผrlicher Materialien, was im Konflikt mit dem Streben der modernen Architektur nach Neuem aus industriellen Materialien steht. Zudem hebt er hervor: โAlles, was wir machen, muss einen Bezug zu unserer Geschichte, zu unserer Architektur haben.โ
Die Stadt Frankfurt hat mit der Rekonstruktion ihrer Altstadt erheblichen Mehrwert geschaffen, eine Maรnahme, die in der Bauwelt kontrovers diskutiert wurde, aber einen starken Identifikationsgrad und nachhaltigen Mehrwert fรผr die Attraktivitรคt der Stadt bietet. In Hildesheim fรผhrte der Abriss eines unscheinbaren Gebรคudes aus den 60er Jahren und die Rekonstruktion des Wedekindhauses zu einem deutlich spรผrbaren positiven Effekt in der Wahrnehmung der Bรผrger. Dies stellt einen kulturellen Mehrwert dar, ein nachhaltiges Projekt, das der Stadt ihr ursprรผngliches Gesicht vor dem Zweiten Weltkrieg zurรผckgibt und unter anderem zu mehr Tourismus und damit zu wirtschaftlichen Vorteilen fรผhrt.
Die Notwendigkeit, Rekonstruktionen zu diskutieren, steht auรer Frage, besonders da ein Groรteil der identitรคtsstiftenden Architektur vor allem durch den Zweiten Weltkrieg verloren ging. Nachkriegsarchitektur stellt ebenfalls ein wichtiges Zeugnis der Zeit dar. Diese Argumentation fรผhrt zwar dazu, dass Bรผrger sich in ihrer Stadt mรถglicherweise unwohl fรผhlen, da es ihre Geschichte widerspiegelt. Letztendlich ist es jedoch wichtig, eine umfassende Diskussion zu fรผhren, die alle Meinungen berรผcksichtigt, dabei aber auch die Ergebnisse vorangegangener Studien von beispielsweise Kรผster und Stamps einbezieht, ohne dabei Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit aus den Augen zu verlieren.
Das obere Foto bildet den mittleren Teil der Kortumstraรe gegenรผber dem Kortumhaus ab. Hier erkennt man noch sehr deutlich die Gestaltungsidee Massenbergs, anhand der Gliederung, des Isolier – und zurรผckgesetzten Obergeschosses, der Farblichkeit, sowie des abgesetzten Putzes um die Fenster. Allerdings wurde mit der Zeit einiges verรคndert und stรถrt somit das Erscheinungsbild. Werbetafeln, Auรenreklame und teilweise Kommunikationslosigkeit zwischen Erd- und Obergeschossen. Allerdings ist dieser Abschnitt einer der hervorzuhebenden Bereiche innerhalb der Innenstadt.
Wenn man den Wunsch der Bochumer Politik und aller beteiligten Akteure sowie interessierten Personen im Rahmen des ISEK betrachtet, durch die Umsetzung eines Gestaltungskonzepts mehr Lebensqualitรคt zu erreichen, erkennt man schnell, dass dies eine gewaltige Herausforderung darstellt. Die zahlreichen Fehltritte, Ambivalenzen, Stรถrungen und รผberbordenden Reize, die das Bild der Bochumer Innenstadt prรคgen, muten fast schon amรผsant an. Zweifellos gibt es in Bochum Orte, die harmonisch oder gar einladend wirken, doch finden sich diese nur vereinzelt und nicht flรคchendeckend รผber die Innenstadt verteilt. Insbesondere der Abriss des Jugendstilgebรคudes an der Ecke Bongardstraรe/Kortumstraรe in den 1970er Jahren muss vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse als gravierender Fehlschlag angesehen werden, ein Fehler, der kรผnftig unbedingt vermieden werden sollte. Hรคufig scheint es, dass nicht Einsicht, sondern Unkenntnis den Weg fรผr weitere Abrisse bereitet. Ein markantes Beispiel ist das geplante โAufwertungsโ-Projekt fรผr den Raum hinter dem Rathaus, bei dem das historische Toilettenhรคuschen aufgrund von Geruchsbelรคstigung abgerissen werden sollte โ ein Vorhaben, das parteiรผbergreifende Zustimmung erhielt. Doch gerade dieser Bereich hinter dem Rathaus birgt das Potenzial, eine bedeutende Aufenthaltsqualitรคt zu bieten, dank seiner charmanten Altbauรคsthetik, angenehmen Schattenspendern durch Bepflanzung und der notwendigen Infrastruktur, wie die รถffentliche Toilette. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, externe Expertinnen und Experten einzubeziehen, die sich abseits politischer รberlegungen mit der รคsthetischen, nachhaltigen und funktionalen Verbesserung der Stadt beschรคftigen.
Ich beabsichtige, mit einem kรผnstlerischen Ansatz Kontraste in der stรคdtischen Bausubstanz herauszuarbeiten, utopische Visionen zu entwerfen, Lรถsungsansรคtze zu bieten oder einen Diskurs zu initiieren. In meiner kรผnstlerischen Arbeit greife ich insbesondere auf die Erkenntnisse aus den Studien von Kรผster und Stamps sowie die Ideen von Andreas Forster zurรผck. Mein Fokus liegt dabei auf handwerklichen und kรผnstlerischen Methoden, um Unterschiede zwischen der Architektur vor und nach dem Krieg โ speziell in Bezug auf Fassadengestaltung, Bauhรถhen, Materialverwendung und Stil โ zu untersuchen. Geographisch konzentriere ich mich auf den Innenstadtbereich (innerhalb des Rings), der infolge der 531.000 Brandbomben zwischen 1942 und 1945 grรถรtenteils zerstรถrt wurde, wobei nur etwa 30% der โalten Stadtโ erhalten blieben. Nach 1945 wurden weitere 20% im Zuge der Entwicklung einer autofreundlichen Stadt abgerissen.
Durch eine eigens entwickelte Methode legte ich digitale Stadtkarten von 1920, 1950 und 2020 รผbereinander und wandte in einem Bildbearbeitungsprogramm eine โDifferenzรผberlagerungโ an. Dadurch konnte ich identifizieren, welche Gebiete vor dem Krieg, kurz nach dem Krieg und heute noch existieren, was mir einen umfassenden รberblick รผber die verbliebene Altbaustruktur in der Bochumer Innenstadt verschaffte. Anschlieรend kartografierte und fotografierte ich die identifizierten Altbauten und stellte oft signifikante Verรคnderungen zum ursprรผnglichen Zustand fest. Mein Ziel ist es, einen visuellen Bruch zwischen der Architektur vor und nach dem Krieg zu definieren. Meine Untersuchungen zeigten zudem, dass im Rahmen der Modernisierung Altbauten oft an den Stil neuerer Bauten angepasst wurden. Bei der Dokumentation der Altbaustrukturen konzentrierte ich mich vorrangig auf Details der Fassadengestaltung, fotografierte diese und setzte sie dem Erscheinungsbild moderner Neubauten gegenรผber. In einer Fotoreihe illustriere ich beispielhaft deutliche Unterschiede in Profilierung und Detailgenauigkeit.
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UMFRAGE
รคsthetische wahrnehmung
KAISER WILHELMSTRAรE
Der Blick richtet sich entlang der unteren Kortumstraรe aus und hat als Fluchtpunkt in etwa den Bereich des damaligen Engelbertbrunnens. Der Handelshof wurde nach dem Krieg stark verรคndert wieder aufgebaut und prรคsentiert sich in einer, an die Nachkriegsarchitektur angelehnten Architektur.
KAISER WILHELM-STRAรE
Der Blick richtet sich entlang der unteren Kortumstraรe aus und hat als Fluchtpunkt in etwa den Bereich des damaligen Engelbertbrunnens. Der Handelshof wurde nach dem Krieg stark verรคndert wieder aufgebaut und prรคsentiert sich in einer, an die Nachkriegsarchitektur angelehnten Architektur.
KORTUMSTRAรE
Der Blick richtet sich entlang der unteren Kortumstraรe aus und hat als Fluchtpunkt in etwa den Bereich des damaligen Engelbertbrunnens. Der Handelshof wurde nach dem Krieg stark verรคndert wieder aufgebaut und prรคsentiert sich in einer, an die Nachkriegsarchitektur angelehnten Architektur.
KORTUMSTRAรE
Der Blick richtet sich entlang der unteren Kortumstraรe aus und hat als Fluchtpunkt in etwa den Bereich des damaligen Engelbertbrunnens. Der Handelshof wurde nach dem Krieg stark verรคndert wieder aufgebaut und prรคsentiert sich in einer, an die Nachkriegsarchitektur angelehnten Architektur.
BONGARDSTRAรE
Der Blick richtet sich entlang der unteren Kortumstraรe aus und hat als Fluchtpunkt in etwa den Bereich des damaligen Engelbertbrunnens. Der Handelshof wurde nach dem Krieg stark verรคndert wieder aufgebaut und prรคsentiert sich in einer, an die Nachkriegsarchitektur angelehnten Architektur.
HOCHSTRAรE
HOCHSTRAรE
FRIEDRICHSTRAรE
BAHNHOFSTRAรE
Der Blick richtet sich entlang der unteren Kortumstraรe aus und hat als Fluchtpunkt in etwa den Bereich des damaligen Engelbertbrunnens. Der Handelshof wurde nach dem Krieg stark verรคndert wieder aufgebaut und prรคsentiert sich in einer, an die Nachkriegsarchitektur angelehnten Architektur.
Neue Techniken und Mรถglichkeiten lehren

Anamnese
Im ersten Schritt stelle ich mit den TeilnehmerInnen zusammen fest, was ihnen gefรคllt, wo sie Schwierigkeiten haben, oder wo Bedarf besteht sich weiterzuentwickeln. Es wird auf Basis eines gemeinschaftlichen Themas und einer gemeinsamen Aufgabe der momentane Stand ihrer Mรถglichkeiten รผberprรผft.

Experimentieren
Mit Hilfe verschiedener Techniken, Methoden und Materialien biete ich den TeilnehmerInnen die Mรถglichkeit sich von ihrer Komfortzone zu lรถsen und frei mit den zur Verfรผgung gestellten Mitteln zu experimentieren. Dabei entstehen hรคufig neue Wege, die oft รผberraschend sind.

Weiterentwickeln
In persรถnlichen Gesprรคchen gehe ich auf die Wรผnsche der TeilnehmerInnen ein und vertiefe die erlernten Techniken, oder baue bereits vorhandene Fรคhigkeiten aus.
//04
Case Study
gestalterische qualitรคt
A Series for Divi
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